Sarah Rieser
Jugendarbeiterin Gossau-Andwil und Flawil

 

Wie ist das Projekt zustande gekommen?

Sarah Rieser: Recht spontan, an dem Montagnachmittag als der Lockdown verabschiedet wurde, haben wir uns getroffen (Reformierte und Katholiken). Wir pflegen seit einer Weile eine enge Zusammenarbeit mit den katholischen und den frei reformierten Kirchen. In St. Gallen gab es bereits ein relativ ähnliches Lebensmittel-Projekt. Dieses konnten wir als Inspirationsquelle für unser Projekt nutzen. Wir erstellten einen WhatsApp Chat bei dem wir alle interessierten Jugendlichen in den Chat aufgenommen haben. 2 Tage später hatten wir 50 interessierte Jugendliche. Mittlerweile sind es jetzt schon 75 Jugendliche die bereit wären, um zu helfen.

 

Wie ist der Ablauf des Einkaufdienstes?

Sarah Rieser: Wir haben eine eigene Telefonnummer erstellt, die explizit für diesen Einkaufdienst ist. Die Nummer befindet sich auch auf unserem Flyer. Jeweils immer einer von uns übernimmt den Telefondienst. Jetzt kann uns jemand anrufen und uns mitteilen welche Art von Hilfe er benötigt, Einkaufen oder das Besorgen von Medikamenten. Dabei schreiben wir auf, um welche Artikel oder Gegenstände es sich handelt und in welchem Zeitraum diese ankommen sollten. Anschliessend schreiben wir dies anonymisiert in den Chat. Zusätzlich sagen wir auch in welchem Stadtteil in Gossau der Rentner wohnt. So kann der Weg auf ein Minimum gesenkt werden. Wenn ein Jugendlicher anschliessend zusagt, rufen wir Ihn an und übergeben Ihm die Detailinformationen. Zusätzlich geben wir auch die Telefonnummer des Rentners an. Die Jugendlichen melden sich dann bei dem Rentner und vereinbaren gemeinsam weitere Details. Sie machen z.B. ein Zeichen ab, um so zu zeigen, dass sie hier sind. Zusätzlich informieren wir sie auch über die aktuellen Hygienemassnahmen, die sie einhalten sollten. Voraus wird auch immer abgeklärt wie das ganze finanziell gehandhabt werden sollte. Ein Teil hat gerade Bargeld Zuhause. Eine andere Möglichkeit ist das Arbeiten mit Geschenk-Karten von der Migros oder dem Coop. Diese können dann via Einzahlungsschein zurückgezahlt werden. Die Nahrungsmittel werden vor die Türe oder ins Milchkästchen gestellt, um den direkten Kontakt zu vermeiden. Wir haben geplant, dass die Jugendlichen weiterhin direkt mit den alten Menschen im Kontakt sein können. Sodass diese Anfragen gar nicht mehr über uns laufen müssen. So können immer wieder die gleichen Jugendlichen für den gleichen Rentner einkaufen. Dies erleichtert die Kommunikation und baut Vertrauen auf. Bei Personen, die viel Hilfe benötigen, ist es oft der Fall, dass wir gleich mehrere Jugendliche schicken.

 

Wie wird während der Corona-Zeit mit dem Verdienst der Credits umgegangen?

Sarah Rieser: Das haben wir noch ein wenig offengelassen. Wir haben das bis jetzt noch nicht deklariert. Das Ganze basiert sehr stark auf Freiwilligkeit. Aber es ist uns allen klar, dass wir im Nachhinein die Jugendlichen angemessen belohnen werden. Vielleicht werden wir auch Unterschiede bei der Kreditanzahl machen, je nachdem wie oft man daran teilgenommen hat. Momentan können wir die Credits noch nicht übergeben. Vor allem ist es bei uns so, dass die Jugendlichen, die bei diesem Projekt dabei sind, meist sowieso schon eine grosse Anzahl an Credits vorweisen können. Zusätzlich muss man natürlich auch sagen, dass viele Jugendliche der katholischen und der frei evangelischen Kirche angehören. Wir werden mit allen Teilnehmern ein Abschlussfest feiern. Und auch dort wird es ein kleines Dankeschön für die Jugendlichen geben.

 

Auf welche Schwierigkeiten bist du oder die Jugendlichen beim Einkaufsdienst gestossen?

Sarah Rieser: Bis jetzt ist es recht gut gegangen. Die erste komplexere Sache war die Organisation mit den Finanzen. Aber dies hat mehr uns betroffen, weniger die Jugendlichen. Die Frage war, wie wir die finanziellen Wege kurzhalten können und optimale Sicherheit bieten können. Die einfachste Lösung für uns ist die Bezahlung mit Bargeld. Doch das ist leider auch nicht ganz unproblematisch. Jetzt hat sich das ganze sehr gut eingespielt. Wenn ich heute etwas im Chat bekannt gebe, habe ich spätestens eine Viertelstunde später jemanden der sich dieser Sache annimmt. Ob wir diese Geschwindigkeit halten können ist momentan noch fraglich. Die Jugendlichen haben zunehmend intensiveres Homeschooling. Bis jetzt wurden oftmals in den Schulen nur bereits bekannte Themen repetiert und geübt. Es zieht momentan schon sehr stark an. Die Auswirkungen müssen wir laufend beobachten. Vielleicht müssen wir dann doch einem Kunden mehrere Jugendlichen zuteilen.

 

Gibt es ähnliche Projekte, die in Planung sind?

Sarah Rieser: Ähnlich jetzt nicht. Was wir getan haben ist, dass wir unser ganzes Angebot so gut wie möglich an die Corona Krise angepasst haben. z.B. Jugendtreffs auf digitaler Basis. Ein weiteres Angebot an Hilfeleistung wie diese haben wir nicht.

 

Welche Tipps würdest du anderen Kirchgemeinden geben?

Sarah Rieser: Im Prinzip – einfach starten. Wir waren sehr erstaunt wie schnell wir alle diese Helfenden hatten. Was ich anderen Kirchgemeinden auch empfehlen würde ist, dass der Anrufdienst jeweils gewechselt wird. Sodass man sich für den Rest der Woche auch wieder anderen Themen widmen kann, das ist so recht entlastend. Wenn wir mit den Senioren telefonierten ist dieses nie ein kurzes Gespräch, sondern oftmals auch ein Seelsorgegespräch, das mindestens 20 Minuten dauert. Obwohl die Sache eigentlich eine Kurze wäre. Die Senioren sind einfach froh mit jemandem zu reden, denn einige haben jetzt fast keine Kontakte mehr.

Ausserdem nehmen wir auch nur Jugendliche in unseren Chat auf, die wir kennen – aus dem Grunde der Sicherheit. Zudem haben wir eine Liste erarbeitet, auf dieser die Kontakte protokolliert werden. Somit haben wir eine erhöhte Sicherheit und wir wissen wen wir zu wem schicken.

 

In welchen Bereichen hilft dir die Pfefferstern Plattform?

Sarah Rieser: Über den Pfefferstern haben wir Mails an alle Jugendliche versendet, um auf das Projekt aufmerksam zu machen. Die vertiefte Kommunikation wird, wie bereits gesagt, über WhatsApp geführt. Zusätzlich verwenden wir Dropbox, um Dokumente online bereitzustellen.

 

Könnte dieses Projekt auch nach der Corona Krise weiterhin bestehen bleiben?

Sarah Rieser: Wir sind uns noch nicht ganz sicher ob und wie wir das Projekt weiterziehen können. Grundsätzlich bleibt das Bedürfnis für viele Rentner auch nach der Corona Zeit bestehen. Zudem findet hier ein interessanter Kontakt zwischen Alt und Jung statt. Sie bauen gemeinsam etwas auf, daraus kann sich etwas entwickeln. Momentan müssen wir schauen wie sich die Lage weiterentwickelt.